Unzählige deutsche Bezeichnungen lassen auf ihre Bedeutung im Volksglauben, der Naturmedizin und der allgemeinen Beachtung als eine "einfach nur schöne" Blume schließen. Anschließend folgt eine willkürliche Aufzählung von Namen für die Wegwarte aus verschiedenen deutschsprachigen Regionen:
Blaue Blume der Romantik, Blaue Distel, Faule Gretl, Gewöhnliche Zichorie, Hansl am Weg, Hindläufte, Hindeg, Hindlauf, Hindluft, Hundsläufte, Irenhart, verfluchte Jungfer, Kaffeekraut, Kattenworz, Rauhärig, Rattenwurz, Sonnenbraut, Sonnenwedel, blaue Sonnenwende, Sonnenwirbel, Sunnewirbel, Verzauberte Jungfrau, Wandelistengel, Wasserwart, Wegeleuchte, Wegluge, Wegweise, Wendel Wilde Endivie, Zichorie, Zigeunerblume.
In Thüringen wird sie auch Sonnenwendel und Sonnendraht genannt, in Böhmen hieß sie Wagleuchte, der Schweizer sagt Weglueg, der Niederösterreicher blaue Distel oder Wegskorn, der Oberösterreicher Zigeunerblume oder Hansl am Weg, der Westfale hat den Namen Cichorium in Zuckerei umgewandelt. In Ostpreußen heißt die Wegwarte „Verfluchte Jungfer“, weil das Mädchen von ihrem Vater verflucht wurde und sich so in die Wegwarte verwandelte.
Erste schriftliche Überlieferungen zur Wegwarte findet man in ägyptischen Papyrustexten aus dem 4. Jahrtausend vor Christus.
Den Römern war die Wegwarte unter dem Namen Intybus als Heilpflanze bekannt. Auch Theophrastos, Plinius, Dioskurides erwähnten sie bereits.
Der alte Name "Hindläufte" stammt aus dem Althochdeutschen (hintloipha) und weist auf die (am Lauf der Hinde/ Hirschkuh) an Waldwegen wachsende Pflanze hin.
Hildegard von Bingen beschreibt sie als "Sunnenwirbel", da sich ihre Blüten mit der Sonne drehen. Ein anderer mittelalterlicher Name war Solsequium majus (sol = Sonne; sequi = folgen), "der Sonne folgend".
Es sind viele Mythen bekannt, die der Wegwarte unglaubliche Zauberkräfte, vor allem im Liebeszauber, zuschreiben. Sie soll den Träger der (nach einem bestimmten Ritus ausgegrabenen) Pflanze im Kampf unbesiegbar und allgemein unverwundbar machen.
Andere Mythen lauten dahingehend, dass eine Wegwarte unter dem Kopfkissen der Jungfrau im Traum den zukünftigen Ehemann erscheinen lässt.
Wird die Pflanze am Peterstag (möglicherweise am 29. Juni) mit einem Hirschgeweih ausgegraben, dann kann man einem anderen Aberglauben zufolge jede Person betören, die man damit berührt. Andere Quellen nennen den Jakobitag (25. Juli) im Zusammenhang mit dem Hirschgeweih und einem Goldstück.
Dichter, Botaniker und Prediger des ausgehenden Mittelalters hinterließen uns interessante Zeilen über die Wegwarte.
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"Pluemen der Tugent" anno 1411 von Hans Vintler (* 2. Hälfte 14. Jahrhundert, † 1419)
Viele bezeugen, die Wegwart
Sei gewesen ein Fraue zart
Und warte ihr's Buhlen mit Schmerzen
Cichorium - Anwendung nach Hieronymus Bock genannt Tragus (* 1498, † 1554)
Eine handvoll Wegwart in wasser gesotten vnd getruncken
führt aus die gallen vnd weissen schleim durch den Stuhlgang...
Ein decoction gemacht auss dem kraut vnd wurtzel
mit wein oder wasser vnnd warm gedruncken eröffnet die Leber vnd Miltz
soll genützt werden im anfang der Wassersucht vnd Cachexia.
Solches vermag auch das gebrannt wasser vnnd ist trefflich gut zu dem hitzigen Magen
zu allen brennenden Febern vnnd schwachheit des Hertzens getruncken...
dienet auch zum hitzigen Podagra...
Wegwartenblumen Conservenzucker nach Tabernaemontanus - eigentlich Jacob Theodor (* 1522, † 1590)
Von den schönen lieblichen Blauen Blumen der Wegwarten
wird ein nützlicher und anmuthiger Conservenzucker auf folgende Weise gemacht:
Man nimmt ein Theil der abgepflückten frischen Blumen
Schneidet die klein auf einem Brett
Stoß es darnach wol in einem steinern Mörser
Und im Stossen wirffallgemählich darzu 3 Theil Zucker
Wann es nun wohl vermischet
Und zu der Gestalt einer Lattwergen gebracht worden ist
So thue es in ein Zuckerglaß oder Porcellanbüchsen
Und stells eine Zeitlang in die Sonn
behalts zum Gebrauch über Jahr.
Dieses stärket das Hertz
Und erquicket die Schwachhertzigen
Dienet wider das Herzklopffen von Hitze verursacht
Er öffnet reiniget und stärket die Leber
Treibet die Gall und den Schleim darvon
Dienet wider das Magenbrennen und vertreibet den Sod
Wehret den Fiebern und der anfahrenden Wassersucht
Kühlet die erhitzigte Leber und alle innerlichen Glieder.
In summa:
Dieser Zucker dienet zu allen Gebrechen
Wie vom Kraut und Syrup gesagt ist.
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Um diese Blume rankt sich eine schöne Legende
Die Geliebte eines jungen Ritters, der an einem Kreuzzug teilnahm, wartete am Wegrand vor dem Stadttor mit ihren Hofdamen auf seine Rückkehr. Doch der untreue Ritter kam nicht mehr zurück. Auch als sie schon nicht mehr an eine Rückkehr des Ritters glaubten, weigerte sich das Burgfräulein, die Hoffnung aufzugeben. Und so konnte man diese kleine Gruppe noch lange Tag für Tag vor dem Stadttor warten sehen. Schließlich hatte der Himmel ein Einsehen. Das Burgfräulein wurde mit seinen Hofdamen in Blumen - Wegwarten - verwandelt, wobei die Hofdamen in blaue und die unglückliche Geliebte in eine weiße Wegwarte verwandelt wurden. (So erklärte man sich die Tatsache, dass man neben den üblichen blauen auch gelegentlich mal eine weiße antreffen kann.)
Eine andere Legende nicht so schönen Inhalts ist diese
Als einstmals die Kriegstrompete durch das Land tönte, stand eine trauernde Jungfrau im kleinen ärmlichen Zimmer, sah ihren Verlobten, welcher der Fahne folgen mußte, mit nassen Augen an und sprach: "Ach, wie ängstlich schlägt mir das Herz, da du von mir gehst; es ist mir, als würde ich dich nimmer wieder sehen. Doch ich will täglich beten für dich, daß dich Gott gesund wiederkehren läßt, vielleicht erbarmt sich der gütige Vater meiner." Schluchzend warf sie sich dem Geliebten noch einmal an das Herz und sandte ihn alsdann in das wilde Kriegsgetümmel. Viele Jahre waren verflossen, ohne daß der Geliebte zurückkam. Eine Kugel hatte ihn in der mörderischen Schlacht jählings niedergestreckt. Jammernd stand während des die arme Jungfrau tagelang am Wege und schaute weinend in die Weite, auf die Heimkehr des Vermißten wartend. Die Bekannten, welche ihrem Jammer lange schweigend zugesehen, sprachen endlich: "Gib dein Trauern auf, dein Verlobter ist den Heldentod fürs Vaterland gestorben, er wird und kann nicht heimkommen. Gib du dich dem Leben zurück, indem du deine Hand einem anderen reichst, mit dem du ein sorgenloses Leben führen kannst. Mit beiden Händen abwehrend erwiderte sie:
" Eh' ich laß das Weinen stehn,
will ich lieber auf die Wegscheid gehn,
Eine Feldblum' dort zu werden."
Sie blieb auf ihrer einsamen, kummervollen Warte wohl sieben Jahre und glich zuletzt einem Skelett. Da erbarmte sich der Herr ihres übergroßen Leides und verwandelte sie in eine blaue Blume, die Wegwarte am Wege, wo sie noch steht und auf die Rückkehr des Geliebten wartet.
.... es gibt so viele Wegwarten in diesen Tagen....
Eine weitere Geschichte zur Wegwarte
Als noch der Herrgott auf der Erde ging, sei er einstmals von Durst geplagt, an ein Haus gekommen, aus dem ein stolzes Mädchen heraus schaute. Als er nun das Mädchen um einen Trunk Wasser bat, da habe sie ihn mit spöttischen Worten von der Tür gewiesen und ihm bedeutet, dass er sich vom Fenster hinwegtrollen solle, weil er ihr, die nach ihrem Bräutigam ausschaute, die Aussicht versperre.
Da habe der Herr einen schmerzlichen Blick gen Himmel geworfen und sei weiter zum Nachbarhaus gegangen. Als aber kurze Zeit später der Bräutigam an das Haus des schönen Mädchens kam, da habe er sie nicht mehr gefunden, nur eine schlanke, hartstängelige Blume, wie er sie zuvor noch nie gesehen hatte, stand vor der Tür am Weg und schaute ihn traurig mit blauen Blumenaugen an. Die sei das stolze Mädchen gewesen, das wegen seiner Hartherzigkeit in die Pflanze verwandelt wurde und nun am Weg warten muss, bis der Herrgott einst wiederkommt um auch sie zu erlösen.
Dazu gibt es dann noch die Abwandlung, das alle Wegwarten früher einmal Menschen gewesen sein, die blauen (häufigen) die bösen und die sehr seltene weiße Wegwarte die guten Menschen.
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Gedichte aus der "Guten Alten Zeit" . . .
Wegewart Julius Wolff (1834-1910)
Es wartet ein bleiches Jungfräulein
Den Tag und die dunkle Nacht allein
Auf ihren Herzliebsten am Wege,
Aartet am Wege, Wegewart!
Sie spricht: und wenn ich hier Wurzeln schlag'
Und warten soll bis zum jüngsten Tag,
Ich warte auf ihn am Wege,
Warte am Wege, Wegewart!
Vergessen hat sie der wilde Knab',
Und wo sie gewartet, da fand sie ihr Grab,
Ein Blümelein spriesset am Wege,
Spriesset am Wege, Wegewart!
Der Sommer kommt und der Sommer geht,
Der Herbstwind über die Haide geht,
Das Blümlein wartet am Wege,
Wartet am Wege, Wegewart!
Wegewarte Hermann Löns (1866-1914)
Es steht eine Blume,
Wo der Wind weht den Staub,
Blau ist ihre Blüte,
Aber grau ist ihr Laub.
Ich stand an dem Wege,
Hielt auf meine Hand,
Du hast Deine Augen
Von mir abgewandt.
Jetzt stehst du am Wege,
Da wehet der Wind,
Deine Augen, die blauen,
Vom Staub sind sie blind.
Da stehst du und wartest,
Daß ich komme daher,
Wegewarte, Wegewarte,
Du blühst ja nicht mehr.
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Bekannt ist die Zichorie vielen Menschen als Zutat im Muckefuck (= alle Sorten Ersatzkaffee, z. B. aus verschiedenen Getreidesorten und Zichorie, deshalb auch: Getreidekaffee oder Zichorienkaffee genannt). Es werden die im Herbst geernteten Zichorienwurzeln (können bis zu 500 g schwer sein) zerkleinert, gedarrt und geröstet. Zichorienkaffee hat eine karamellbraune Farbe und ist koffeinfrei.
Als Kaffeeersatz wird die Zichorie seit dem 16. Jahrhundert verwendet. Große Verbreitung fand er während der Kontinentalsperre zur Zeit Napoléon Bonapartes und in anderen "schlechten Zeiten".
Um 1830 fanden Brüsseler Gärtner eher zufällig heraus, daß im Dunkeln angetriebene Zichorienwurzeln einen schmackhaften hellgelben Sproß bilden. Diese wurden danach als 'Brüsseler Witloof' oder Chicorée bekannt. Weitere Züchtungen sind Radicchio und Zuckerhut (auch Fleischkraut oder Zichoriensalat).
Zichorien sind es wert, mehr Beachtung zu finden. Um das Augenmerk verstärkt auf diese Pflanze zu lenken, wurde die Zichorie zum Gemüse des Jahres 2005 ernannt.
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Die Gemeine Wegwarte ist in ihren Anforderungen an die Umgebung sehr anspruchslos und besiedelt vorwiegend trockene, gern stickstoffreiche Böden an Wegen, auf Ödland oder Schuttplätzen. Hohe Salzkonzentrationen an Straßenrändern stören sie nicht wesentlich. Sie kommt häufig vor und ist im Bestand nicht gefährdet. Die Wegwarte ist als Pionierpflanze in fast ganz Europa heimisch, nur in den Alpen fehlt sie. Sie wurde in vorgeschichtlicher oder frühgeschichtlicher Zeit aus Vorderasien eingeschleppt - wird demzufolge als Archaeophyt bezeichnet.
Sie blüht von Juni/ Juli bis September (Oktober). Die Blüten öffnen sich in den Vormittagsstunden und schließen sich ab Mittag und auch bei schlechtem Wetter. Es blühen immer nur wenige Blüten zeitgleich an einer Pflanze, welche sich der Sonne zuwenden.
Die Wegwarten gehören zur Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae = Compositae).
Es gibt drei Unterarten:
- var. intybus = Gewöhnliche Wegwarte,
- var. sativum = Wurzel- oder Kaffezichorie,
- var. foliosum = Salat-Zichorie (Chicoree, Radicchio und Zuckerhut).
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